Individualität der Innenstädte

  • AKTUELLES
  • NACHHALTIG EINKAUFEN

Individualität der Innenstädte

Maboni bekommt endlich einen eigenen Laden in unserer schönen Erfurter Innenstadt. Doch bei all der Vorfreude, ein Blick durch unsere Innenstadt trübt unseren Enthusiasmus.

Verwirklichte Lebensträume

Die Erfurter Innenstadt wird jährlich von mehreren 100.000 Touristen besucht. Selbst Martin Luther war schon begeistert. Dabei wird nicht nur der Dom und die Krämerbrücke bestaunt, sondern auch die leckerste Schokolade gekostet und mit unseren Kinderskulpturen, wie dem Sandmann oder der Tigerente posiert. Erfurt hat also viel zu bieten. Und auch als Bewohner lässt es sich glücklich durch die Innenstadt flanieren. Nur eins macht uns immer wieder stutzig: das Sterben kleiner Läden.

Meist sind es Läden, die es so nur bei uns gibt. Nicht an Ketten oder Franchiseverträge gebunden, sondern verwirklichte Lebensträume. Läden, die Mut und Überzeugung ausstrahlen. Läden, die handverlesene Artikel in überzeugender Qualität anbieten. Und oft kommt irgendwann der Tag, an dem der Zettel an der Tür hängt, oder eben der Post deine Timeline erreicht, dass dieser Laden, der dich bei jedem Vorbeigehen liebevoll zum Eintreten einlädt, nun doch schließt. Oder eben Schließen muss. Ein Schuldiger ist dabei oft schnell gefunden: das Internet. Das Internet mit seinem übergroßen Angebot, rundumdieuhr Öffnungszeit und mikrokleinen Preisen. Das zerstört den Markt für die kleinen Händler. Zumindest wird diese Erklärung oftmals als schneller Sündenbock herangezogen.

Auch in Erfurt bleiben wir davon nicht verschont. Ein populäres Beispiel ist unser Unverpackt Laden. In ganz Deutschland schießen sie wie Pilze aus dem Boden. Bringen endlich die gefeierte Lösung für unser nervendes Müllproblem. Nur bei uns in Erfurt, da hat es nicht geklappt. Als einer der Ersten hat er hier eröffnet, ganz ohne die großen Konkurrenten im Bio- Segment (die Bio Discounter haben den Weg nach Erfurt erst in den letzten Monaten gefunden). Aber auch hier war irgendwann der Zettel an der Tür zu lesen: Wir schließen. Große Betroffenheit.

Aber ist es wirklich DAS Internet: immerhin besteht das Internet nicht nur aus einem großen A (= Buchhandel & Warenhaus) und einem großen Z (= Schuh- und Kleidungsmarkt). Es besteht ja auch aus viel Individualität, die hier zu Ausdruck gebracht wird. Wir können Blogs lesen und schreiben und dadurch an der Meinungsvielfalt der Gesellschaft teilhaben. Wir können Trends formen und erleben. Und wir können in kleinen Shops einkaufen, die Nischenprodukte führen und geniale neue Produkte verkaufen, die ich in meiner Stadt nicht bekomme. Oder nach denen ich noch nie dort gesucht habe. Oder, die ich dort einfach nicht vermute. Aber auch das Internet durchzog vor wenigen Wochen eine Welle der Betroffenheit, als eine große Plattform die überwiegend handmade-Artikel anbot, geschlossen wurde. Dafür brauchen wir jetzt aber einen neuen Sündenbock. Oder macht das Internet das Internet kaputt?

Am Ende des Internets stehen wir. Wir als Verbraucher. Wir als Bürger. Wir, die das Internet nutzen. Wir, die im Internet kaufen. Wir, die im Internet konsumieren. Wir, die im Internet leben. Genau wie in unserer Stadt. Sind es dann auch wir, die das Kapitulieren kleiner Händler in der Innenstadt verantworten müssen und die Schließung charismatischer Onlineshops auf dem Gewissen haben?

Perle der Innenstadt

Hätte ich öfter mit meinem Abfüllbehältnis Nudeln kaufen sollen? Oder hätte ich mehr selbst genähte Pullis bestellen sollen? Klar, Nudeln brauche ich oft. Hätte ich den Unverpackt- Laden öfter besucht, wäre er mir vielleicht länger erhalten geblieben. Hätte. Den Laden hat es nicht gerettet, was aber geblieben ist, ist der Enthusiasmus und der Fingerzeig auf das, wie wir es uns wünschen. Der Enthusiasmus, den die Gründerin dieses Ladens hatte (und hat, hoffe ich) und der mich angesteckt hat auf Lebensmittelverpackungen (noch) mehr zu achten. Oder auch meinen Plastikkonsum zu reduzieren. Und natürlich auch der Enthusiasmus aus dem Trend eine dauerhafte Bewegung machen zu wollen, den Sie und viele andere Gründer*innen solcher Läden auf die Wirtschaft und unsere Konsumlandschaft überspringen lassen. Denn viele große Supermärkte wollen diese Konkurrenz kleinhalten und greifen Konzepte auf, die wir aus Unverpackt- Läden kennen, um beim Beispiel zu bleiben. Diesen einen Laden in der Erfurter Innenstadt hat es nicht gerettet, aber die Idee bleibt und lebt weiter. Wahrscheinlich sogar größer und effektiver als der kleine Laden es sich je erträumt hätte.

Unsere Innenstadt hat allerdings wieder eine Perle der Individualität verloren. Zurück bleiben große Geschäfte, die es 1:1 in jeder anderen Innenstadt auch gibt, die viel Raum einnehmen und anscheinend auch viel Zuspruch finden. Sonst wären sie eben nicht hier.

Was uns bleibt, ist die Hoffnung auf mehr mutige Individualisten, die sich ihren Traum vom eigenen Laden erfüllen und uns somit den Charme der Innenstadt erhalten.

Maboni wird den Sprung wagen, mit dem dazugehörigen Enthusiasmus. Und mit der dazugehörigen Portion Angst vorm Scheitern. Aber immer mit der Hoffnung dauerhaft eine Perle in der Erfurter Innenstadt zu werden!

Ich persönlich, ich werde an meinem Hätte arbeiten.

Eure Carolin

 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Ich bin mit der Speicherung und Verarbeitung meiner Daten durch diese Website einverstanden