Kindererziehung in UK – Erfahrungen einer Nanny in London

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Leben und Kindererziehung im Vereinigten Königreich von Großbritannien

Wie Familien in anderen Ländern ihren Alltag bestreiten und wie die Kindererziehung hinter entfernteren Türen aussieht, interessiert mich schon länger. UK einmal näher zu beleuchten, finde ich ziemlich spannend. Kindererziehung und Lebensweise scheinen auf den ersten Blick vielleicht gar nicht so gegensätzlich zur Deutschen, erst auf den Zweiten! Und deshalb schaue ich genauer hin. Ich habe ein angenehmes kleines Interview mit Sandra geführt, einer super symphatischen und kompetenten Nanny aus London. Über was wir uns ausgetauscht haben, fasse ich Dir in den kommenden Zeilen einmal zusammen. Viel Spaß beim Lesen!

Ursprünglich wollte Sandra nach Deutschland fliegen und sich für unser Interview mit mir persönlich treffen, um gemütlich bei einem Käffchen zu plaudern. Daraus wurde leider nichts. Wie so oft im Leben, kam kurzfristig die Arbeit dazwischen und wir haben uns entschlossen, einen Abend lang ausgiebig zu skypen und via Telefon zu reden.

Sandra stammt ursprünglich aus Deutschland, lebt nun bereits 14 Jahre in London und hat in der Zeit dort schon so einige interessante Geschichten erlebt. Da sie in „Good Old Germany“ aufgewachsen ist und gern nach Hause fliegt, um hier regelmäßig ihre Freunde mit Familien in der Thüringer Heimat zu besuchen, fallen ihr doch die ein oder anderen Unterschiede zwischen den Kids bei uns und in UK auf.

Arbeit und Zeitmangel

Bei unerem Telefonat kamen wir nach kurzem Eintauchen in das Thema relativ schnell auf den Punkt Arbeit zu sprechen. In den Familien, in denen sie als Nanny gearbeitet hat, waren die Eltern beruflich viel und lange unterwegs. Ähnlich wie in Deutschland, spielt die Zeit in Londoner Families eine immense Rolle. Ich behaupte das jetzt einmal so für deutsche Familien, denn in meinem Umfeld ist das Fakt – falls Du keinen Zeitmangel hast, verrate mir liebend gern in einem Kommentar, wie Du das mit Deiner Familie schaffst! 🙂

Zurück nach London: Zeit für die Familie scheint zwischen den Jobs in der City Mangelware. Der Großteil der Eltern ist unter der Woche beruflich von früh bis abends unterwegs und oft beschleicht sie ihren Kindern gegenüber ein schlechtes Gewissen. Auf alle Eltern in UK trifft das pauschal natürlich nicht zu, Sandra hat aber in ihrer beruflichen Vergangenheit schon oft Situationen erlebt, in denen die Eltern diese fehlende Zeit konsequent mit Geschenken kompensiert haben. Da kommen Mama und Papa am Abend ziemlich ausgepowert und müde nach Hause; erzogen wird hier nur noch wenig. Irgendwie nachvollziehbar, denn der Energiepegel ist weit unten und ein „Nein“ seitens der Eltern ist schwerer ausgesprochen, wenn sie am Abend einfach nicht mehr „können“. Sanktionen oder Regeln gibt es also in diesen Situationen eher weniger, was dazu führt, dass die Eltern regelmäßig auf das Verlangen der Kinder eingehen und einfach nachgeben. Oft sind zu Hause die Kleinen die Chefs und bekommen ihren Willen.

Sandra aus Deutschland, wohnt bereits seit 14 Jahren in London und arbeitet dort als Nanny in berufstätigen Familien

Allgemein zieht sich der Alltag der Familien unter der Woche eher in den Abend. Die Kids bleiben verhältnismäßig lange auf (z.B. Grundschüler ca. 20.30 Uhr bis 21.00 Uhr). Zur „Bedtime“ gibt es oft kleine Machtkämpfe zwischen den Eltern und den Kleinen. In eine tiefenentspannte Familie, mit bestehenden Regeln und ohne Murren der rebellischen Kinder, ist unsere Nanny selten gekommen. Eher hatten die Kids zu Beginn wenig Respekt ihr als Erwachsener gegenüber und sie musste sich ihren Platz erst durch neue Regeln und mit ruhiger Konsequenz erkämpfen.

Durch das späte Zubettgehen sind die Kleinen natürlich morgens oft ziemlich müde. Vorteil: Kinder, die den Kindergarten besuchen, gehen im Durchschnitt erst ab 8.00Uhr in die Einrichtung. Die Grundschule „Primary School“ beginnt in Großbritannien auch erst 9.00 Uhr! So können die Kleinen erst einmal richtig in den Tag finden. Kinder werden in Großbritanien bereits mit dem 4. Lebensjahr eingeschult und sind damit schon sehr früh in den geregelten Alltag, ohne viel Freizeit, eingebunden.

Es ist üblich, dass die Kids in ihrer wenigen verfügbaren Zeit vielen Hobbies nachgehen. Unser Nanny ist der Meinung, dass viele Eltern ihren Kids in jüngeren Jahren schon zu viel Animation zumuten: von Fußball, Schwimmen, Mathenachhilfe über Musik und Theatergruppe – viel Freizeit zum Träumen und Energie auftanken bleibt da für die kleinen Individuen nicht. Im Durchschnitt sind sie von 7 Tagen an 3-4 Tagen mit Hobbies voll eingespannt. Am Wochenende ist dann auch noch Action angesagt. Es gibt so viel zu sehen und zu viel zu verpassen: Theater, Zoo, Aquarium, Konzert, Ausstellungen und und und… oft hat es den Anschein, als ob die Eltern mit ihren Kindern gar nicht zur Ruhe kommen können.

„Das ist ein großer Unterschied zu deutschen Familien“ sagt Sandra. Ihre Freunde in Deutschland unternehmen auch gemeinsame Ausflüge mit den Kids, scheinen aber dabei ein gutes Maß zu kennen. Zudem haben die Lieblinge nicht 3-4 Hobbies, denen sie parallel unter der Woche nachgehen. Es sind weniger, was ihnen vielleicht auch mehr freie Zeit neben der Schule und den „Hausis“ verschafft. „Vielleicht kommt es auch daher, dass diese Kids etwas relaxter sind“ fragen wir uns?

Was ihr auch auffällt, ist der deutliche Unterschied in der Erziehung. Bei vielen deutschen Eltern wird noch Wert auf das Benehmen gelegt. Hier gibt es noch ein „Bitte“ und ein „Danke“ und es geht meistens fair unter den verständnisvolleren älteren Kindern zu. In Londoner Familien ist das nicht selbstverständlich. Hier kann es schon passieren, dass die Kids einem erwachsenen Gast gegenüber keinen Respekt zeigen, kein „Guten Tag“ oder „Auf Wiedersehen“ herausbekommen. Kernproblem ist hier vielleicht wirklich die wenige gemeinsam erlebte Zeit des Nichtstuns in den Familien. Es wird wenig miteinander geredet, wenig erzogen, es werden quängelnde Kids vor Tablets geparkt oder auch mit neuem Spielzeug getröstet.

A propos Tablet – Sandra hatte mal ein kleines Erlebnis, dass für sich spricht: eine Familie saß beim Frühstück im Restaurant (das machen die Londoner oft und gern). Neben den Eltern saßen zwei Kinder – das ältere ca. 2 -3 Jahre und das jüngere gerade einmal 1 -1,5 Jahre, also noch ziemlich kleine Würmer. Die Familie bestellte ihr „Breakfast“, und parallel zu frisch gepressten O-Saft, Fruits, Toast usw. wird auch das Tablet auf den Tisch ausgebreitet. Beide Kleinkinder wurden während des gesamten Frühstücks animiert, geparkt und schauten einen Trickfilm. Traurig, oder? Wäre doch genau dieses gemeinsame Essen wichtig für die Bindung innerhalb der Familie. Wie schon erwähnt, urteilt dieses Beispiel auf keinen Fall über alle Familien in UK. Es ist aber bei Einigen schon eine Tendenz der Dauerbespaßung zu erkennen.

Fast Food geht auch gesund! Das ist das Credo der Kette „Leon“, die in London bekannt ist für ihr gesundes, abwechslungsreiches Essen

Essen und Ernährung

Das Thema Ernährung finde ich total spannend. Wie ich schon erwähnt habe, genießen die Menschen in UK gern und oft ihr Breakfast außer Haus. Immer beliebter und schon fester Bestandteil sind Restaurants mit gesundem, abwechslungreichem Angebot, wie z.B. Leon. (die zwei Gründer hatten die Idee eine Fastfoodkette zu gründen, die schnelles Essen mit gesundem, vielfältigem Angebot mit mediterranen Einschlag verbindet)

Allgemein ist gesundes Essen und Themen wie: bio, glutenfrei, lactosefrei, regional usw. in den urbanen Gegenden Großbritanniens eine feste Konstante in den Angebotspaletten der Restaurants und Lebensmittelläden. Viele Familien, die es sich leisten wollen und können, kaufen hochwertiges Biofleisch. Immer weniger Haushalte benutzen eine Mikrowelle. Die Londoner wollen gesund leben. Sie legen Wert auf Biolebensmittel, natürliche Materialien bei Möbeln und auch immer mehr bei Kleidung. Die eigene Gesundheit und die Umwelt sollen geschützt werden. Das ist den Städtern wichtig. Die Plastiktüten kosten auch hier bereits Geld. Im Gegensatz zu Deutschland ist das Recycling System scheinbar noch nicht ganz so gut ausgebaut. Der Bio – Trend in den Städten in UK, mit dem großen Angebot an nachhaltigen Lebensmittelketten, Restaurants und umweltfreundlichen Produkten, ist beeindruckend und noch präsenter, als bei uns in Deutschland.

„Bio“ und gesunde Lebensweise ist in urbanen Gegenden des UK ein großes Thema. Hier zu sehen: Whole Foods Market – weltweit größter Betreiber einer Biosupermarktkette

Sandra liebt hier in London die vielen Möglichkeiten gesund und variantenreich zu essen. Sie liebt die Menschen und auch die Familien und ihre Kids. Manchmal scheint es hier nur ein wenig schnelllebiger, quirliger und hektischer zuzugehen – als bei uns in Deutschland. Liebe Sandra, ich danke Dir für den kleinen virtuellen Ausflug ins Vereinigte Königreich von Großbritannien. Super, dass Du Deine Eindrücke und Erfahrungen ein wenig mit uns geteilt hast. Vielleicht hat der Ein – oder Andere von Euch da draußen eigene Erlebnisse mit Familien hier in Deutschland, in London oder anderswo auf der Welt gemacht, die er mit uns teilen will. Dann schreibt hier gern ein paar Zeilen. Ich freue mich über einen Kommentar.

Deine Mone

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